Außerdem waren diese Systeme thermisch stabiler. Die industrielle Reproduzierbarkeit wurde somit signifikant verbessert. Nun folgten weitere Pulverlacksysteme recht zügig. Für den Einsatz im Außenbereich kamen die ersten TGIC-haltigen Polyesterpulverlacke auf den Markt. Dies war der Startschuß für Pulverlacke im Markt der Fassadenbeschichtung oder anderer Einsatzbereiche mit erhöhter UV-Belastung. Ebenfalls kamen Bindemittel auf Acryl- bzw. auf Polyurethanbasis auf den Markt. Hier gab es aus technischen und kaufmännischen Gründen keine unmittelbare Durchdringung am Markt. Diese Systeme sollten dann im Laufe der nächsten Jahrzehnte aber ihre entsprechenden Einsatzfelder finden.

Die Geschichte von Pulverlacken und der Pulverbeschichtung

Der Entwicklungs-Grundstein für Pulverlacke und die später angewandte Pulverbeschichtung liegt sehr weit in der Vergangenheit. In den 40 er Jahren des 20ten Jahrhunderts wurden bereits erste Versuche mit thermoplastischen Kunststoffpulvern durchgeführt. 1953 folgte dann das sog. Wirbelsinterverfahren, bei dem man erstmals in der Lage war deutlich erhöhte Schichtdicken > 200 µm industriell einzusetzen. Dieses Verfahren wurde sehr gerne als mechanischer und auch als Korrosionsschutz für Stahlteile im Innenbereich mit erhöhter mechanischer Belastung eingesetzt. Aufgrund der sehr hohen Schichtdicken und der geringen Auswahl an Rohstoffen, hatten diese Schichten hauptsächlich funktionale Eigenschaften. Es konnte kein großer Wert auf die optische Erscheinung gelegt werden, weshalb hier in der Anfangszeit weitestgehend darauf verzichtet wurde.

Diese Schichten hatten mit den später aufkommenden Pulverlacken wenig gemein. Erst Anfang der 60 er Jahre kamen die ersten duroplastischen Bindemittel auf den Markt, die dann den eigentlichen Grundstein für die heutige Pulverbeschichtung darstellen. Die ersten Bindemittel waren hierbei auf Eopxydharzbasis. Diese Systeme waren besonders am Anfang der Entwicklung durch eine langsame Reaktionsgeschwindigkeit gehandicapt. Auch war die Auswahl an Rohstoffen noch sehr gering, so daß die möglichen Einsatzfelder und die Reproduzierbarkeit überschaubar waren. Ende der 60 er Jahre folgten dann die ersten Pulverlacke auf Epoxy-Polyesterbasis. Diese Systeme werden gerne auch als Mischpulver oder Hybridpulverlacke bezeichnet. Diese Bindemittel hatten in Relation zu den bisherigen eine höhere Reaktivität und konnten somit schneller eingebrannt werden.

Wie zuvor erwähnt gab es als Applikationstechnik anfangs lediglich das  sog. Wirbelsintern. Hierbei werden die Bauteile erhitzt und in Wirbelsinterbecken getaucht. Aufgrund der erhöhten Temperatur schmelzen die Pulverkörner in unmittelbarer Umgebung direkt auf dem Bauteil auf und bleiben somit dran kleben. Anschließend erfolgt das vollständige Vernetzen im Einbrennofen. Niedrige Schichtdicken sehr präzise einzustellen ist mit diesem Verfahren schwierig, daher wird das Wirbelsintern auch heute noch für die Ummantelung mit hohen Schichtdicken (> 200 µm) sehr gerne eingesetzt.

Mitte der 60‘er kamen dann die ersten Pulverbeschichtungspistolen mit Elektrostatik auf dem Markt. Diese sog. Corona-Pistolen konnten auf fluidisierte Pulverkörner eine negative Ladung übertragen. Dadurch war ein Abscheiden auf einem elektrisch leitenden Substrat möglich. Dieser Abscheidungsprozess war präziser als das Wirbelsintern und hatte auch eine höhere Reproduzierbarkeit. Das Ladevermögen dieser Pistolen der ersten Generation war allerdings recht gering. Dies hatte einen geringen Auftragswirkungsgrad zur Folge. Entsprechend hoch war der Anteil am Pulverlack, welcher nicht am Bauteil hängen blieb und Anfangs im Abfall landete. Die Industrie reagierte aber zügig und die ersten Methoden der Rückgewinnung wurden eingeführt. Hierbei wurde in der Lackindustrie erstmals versprühter Lack (in diesem Fall eben Pulverlack) nach dem gescheiterten Applikationsversuch den Applikationspistolen wieder zugeführt um dies dann in einem weiteren Versuch erfolgreich zu beschichten. Dieser Vorgang der Rückgewinnung war bis dato in der industriellen Lackierung unbekannt und stellte ein absolutes Novum dar. Dieser Pistolentyp wurde im Laufe der Jahre stetig weiter entwickelt. Der Coronaring, verbesserte Kaskaden sowie neue, digitale Steuerungen des Pulvertransports und der Aufladung sind hier nur wenige Beispiele. Pistolen der heutigen Generation sind mit den „alten“ Anlagen praktisch nicht zu vergleichen und erleichtern die Applikation ungemein.

 

1972 wurde dann die Tribopistole entwickelt. Das Ladungsprinzip entscheidet sich grundlegend von den sog. Coronapistolen. Die Aufladung erfolgt über eine statische Aufladung des Pulverlacks welche mittels Reibung in der Pulverpistole erfolgt. Hierbei wird das Pulverkorn mit einer positiven Ladung versetzt. Es gibt deutlich weniger mechanische Bauteile in einer solche Pistole, außerdem keine elektronischen Bauteile. Dies macht diesen Pistolentyp sehr wartungsfreundlich. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß keine freie Ladung auf das Werkstück aufgebracht werden. Die positiven Vorteile sind ein besserer Verlauf, mögliche höhere Schichtdicken, ein besseres Eindringverhalten in sog. Faraday’schen Käfigen und auch weniger Probleme bei Bauteilen mit schlechter Erdung. Dies kann speziell bei einem Mehrschichtaufbau den Beschichtungsprozess deutlich erleichtern. Das Triboverfahren hat aber auch zwei entscheidende Nachteile. Die Reibungsladung erfordert den Einsatz spezieller Pulverlacke, welche für diese Ladungsart geeignet sind. Dies war bis Mitte der 90er ein großes Problem. Mittlerweile sind genügend Lacksysteme mit guter Verfügbarkeit am Markt. Der zweite Nachteil liegt beim Einsatz von Metallicpulverlacken. Die Metallicpigmente sind in der Regel elektrisch leitend und können so die Ladung wieder ableiten. Dies hat zur Folge, daß das Pulver vom Werkstück herunterfällt. Sollte das Pulver auf dem Werkstück haften, bleibt das Problem der positiven Aufladung. Während bei der Coronapistole eine negative Ladung anliegt, wird das Pulver bei der Tribopistole positiv aufgeladen. Dies hat eine deutliche Auswirkung auf die Metallpigmente. Diese „legen“ sich im Lackfilm in einem anderen Winkel, was zu einer deutlichen Farbänderung führt.  Metallicpulver sollten bei einer Serienproduktion daher immer mit demselben Pistolentyp beschichtet werden, um ein homogenes Erscheinungsbild zu gewährleisten.

Eine weitere Innovation erfolgte Ende der 80er Jahre mit der Einführung der sog. Scheibenbeschichtung bei Vertikalanlagen. Durch das ständige Wachstum im Bereich der Fassadenprofile waren neue, kostengünstige Verfahren zur Beschichtung von langen Aluminiumprofilen sehr gefragt. Ein Ansatz war das vertikale Aufhängen dieser über 6 m langen Profile und die vollautomatische Beschichtung in schmalen und entsprechend hohen Beschichtungskabinen. Die Profile fuhren in dieser Kabine eine entsprechende Schleife, um ringsum beschichtet zu werden. Die Applikation erfolgte über spezielle Tellerscheiben. Das Pulver wich hier ringförmig aus der Scheibe heraus und wurde in einer kreisförmigen Wolke an die Profile herangeblasen. Mittels zweier Scheiben und einer entsprechend Schleifenführung war man nun in der Lage eine hohe Stückzahl an Profilen mit geringem Personalaufwand schnell zu beschichten. Mittlerweile sind Vertikalanlagen aus diesem Bereich nicht mehr weg zu denken. Allerdings haben sich zum Einen die Kabinen zu Schnellfarbwechselkabinen weiterentwickelt. Zum Anderen ist die teure Technik der Scheibenapplikation durch neue Coronapistolen zurückgedrängt worden und praktisch am Markt nicht mehr vorhanden.

Eine weitere Innovation war der Einsatz von Pulverlacken in sog. Coil-Coating-Anlagen. Bandbeschichtetes Material kann besonders preiswert hergestellt werden, da hier ein sehr hoher Automatisationsgrad erzielt werden kann und eine hohe Flächenbeschichtungsleistung pro Stunde erzielt werden kann. Coil-Coating-beschichtete Bleche werden daher bei Massenprodukten, wie z. B. „Weiße Ware“ eingesetzt. Die Bleche werden auf Maß gestanzt, bzw. gelasert und anschließend gekantet. In der Regel wurden Nasslacke für dieses Verfahren eingesetzt. Dies hat aber den Nachteil, daß Lösemittel zum Einsatz kommen. Für die VOC-Bilanz stellt dies immer öfter ein Problem dar. Mit der Einführung sog. kantfähiger Pulverlacke konnte man nun ein umweltfreundliches VOC-freies System einsetzen.